
Julia Rittner-Kopp verantwortet Formate wie die „Gedanken zum Tag“, „Auf ein Wort“ und verschiedene Hörfunkgottesdienste beim BR und beim Deutschlandfunk Kultur.
Bild: privat
Julia Rittner-Kopp im Porträt
Die Wort-Künstlerin
Ob auf der Kanzel oder im Radio: Julia Rittner-Kopp ist eine Wort-Künstlerin. Sie hat die „Meisterklasse Predigt“ absolviert und zwei Gedichtbände veröffentlicht. Seit fünf Jahren gehört sie zum Team der Rundfunkpfarrerinnen und -pfarrer der bayerischen Landeskirche.
„Eigentlich bin ich eine Erzählerin“, sagt die 59-Jährige. Diese aus ihrer Sicht unterschätzte Kunstform hilft ihr bei ihrer Arbeit im Hörfunk ebenso wie bei Predigten oder früher im Religionsunterricht. Heute verantwortet Julia Rittner-Kopp Formate wie die „Gedanken zum Tag“, „Auf ein Wort“ und verschiedene Hörfunkgottesdienste beim BR und beim Deutschlandfunk Kultur. Außerdem betreut sie die Autorinnen und Autoren der „Evangelischen Morgenfeiern“ von der Idee bis zur fertigen Sendung. Und sie schreibt selbst die beliebten Radioandachten auf Bayern 1 und spricht diese ein.
Die Ideen für die Geschichten, die sie erzählt, entspringen ihrem Alltag. Oder Texten und Gedichten. „Schon als Kind habe ich wahnsinnig viel gelesen – auch Sachen, für die ich viel zu jung war“, verrät Julia Rittner-Kopp. Ihre Verehrung gilt bis heute Virginia Wolf und Ingeborg Bachmann. Von Letzterer kann sie selbst lange Gedichte auswendig rezitieren.
Früh erkennt Julia Rittner-Kopp ihre Berufung. Mit elf Jahren verkündet sie bei einem Kinderbibeltag in ihrer nordrhein-westfälischen Heimat Bielefeld: “Ich will Pastorin werden.“ Für ihre Eltern und die beiden älteren Schwestern eine Überraschung: Sie können mit Religion weniger anfangen. Nesthäkchen Julia aber geht jeden Sonntag in die nur 200 Meter entfernte Kirche, engagiert sich bei Kinder-Gottesdiensten und anderen Veranstaltungen. „Hier bin ich glücklich gewesen und habe eine unheimliche Zugehörigkeit gespürt.“
Nach dem Abitur 1985 und einem Auslandjahr in Schottland beginnt Julia Rittner-Kopp ihr Theologie-Studium in Erlangen. In einer Theater-AG lernt sie Christian Kopp kennen und lieben. Inzwischen sind die beiden seit 37 Jahren verheiratet. Ihr Vikariat in Neuburg an der Donau wuppt Julia Rittner-Kopp bereits als verheiratete Frau und Mama von zwei Kindern.
Während ihr Mann im Laufe der Zeit Dekan, Regionalbischof von München und Oberbayern und im Jahr 2023 schließlich Landesbischof wird, interessiert sich Julia Rittner-Kopp wenig für Kirchenleitung. Ihr Herz gehört der Arbeit als Gemeindepfarrerin. Und dem Schreiben. „Mein Motto war und ist: Menschen begeistern und begleiten.“
Seit 30 Jahren ist sie nun Pfarrerin in der bayerischen Landeskirche, die längste Zeit davon in Diensten von St. Sebald in Nürnberg, ihrer „großen beruflichen Liebe“. Sie arbeitet dort als Tourismus- und Gemeindepfarrerin, veranstaltet Trommelworkshops auf dem Dachboden und Übernachtungen im Kirchraum. Sie liebt das Elementare – und das nicht nur beruflich gesehen. So oft es geht, läuft sie barfuß. „Das ist typisch für mich“, verrät die Pfarrerin. "Ohne Schuhe fühle ich mich frei und ganz bei mir.“
Am 1. April 2021 ändert sich das Leben der Kopps für immer. An diesem Tag nimmt sich ihr Sohn Nicolas das Leben. Julia Rittner-Kopp weint ein Jahr lang. Sie hadert mit ihrem Glauben. „Ich habe Gott in die Wüste geschickt“, erinnert sie sich an diese dunkle Zeit „Aber er ist immer wieder zurückgekommen.“
Von Anfang an hilft es ihr, offen über ihren Verlust zu sprechen. Sie und ihr Mann engagieren sich bei dem Verein „Vivas“ (lat. „Du sollst leben“). Julia Rittner-Kopp hat für die Vereinsmitglieder bereits einen Erzählworkshop auf die Beine gestellt, ein Kurs in Kreativem Schreiben soll folgen. Und die Kopps bieten zweimal pro Jahr Segnungen an. Für die Verstorbenen. Und für die Überlebenden, zu denen sie selbst gehören.
Über den Tod ihres Sohnes wird Julia Rittner-Kopp nie hinwegkommen, aber: „Ich bin dankbar, dass ich durch diese Zeit hindurchgekommen bin und dass ich weiterlebe. Dass wir weiterleben und weiterlieben.“ Eine gewisse Finsternis und Schwere aber bleibt, ist auch in ihren Texten und Erzählungen präsent. In ihrer nächsten Morgenfeier zum Beispiel geht es um ein Zitat von Hiob: „Die Finsternis reicht nicht aus, um mich zum Schweigen zu bringen.“ Das trifft Gott sei Dank auch auf Julia Rittner-Kopp zu.
13.08.2025
Silke Scheder